Pressemitteilung der Bürgerinitiative Prellbock Altona e.V. vom 26.11.2021
Kalte Dusche für Diebsteich-Investoren
EU-Kommission schickt Fragebogen –
Vermutlich gravierende Unregelmäßigkeiten beim Vergabeverfahren
Zum Diebsteich-Projekt hat eine Untersuchung der EU-Kommission begonnen. In dem sogenannten „EU-Pilotverfahren“ geht es darum, ob der Bauvertrag mit den privaten Investoren in einem ordnungsgemäßen Vergabeverfahren zustande gekommen ist. Ähnliche Fragen gibt es auch bei den geplanten Bahnhofsneubauten in Paderborn und Ingolstadt. Wenn sich der Verdacht bestätigt, dass gegen EU-Recht verstoßen wurde, sind die Verträge mit den Investoren nichtig.
In einem Schreiben der EU-Kommission, das Prellbock Altona e.V. vorliegt, heißt es zum Diebsteich-Projekt: „Insgesamt haben wir zu diesem Projekt die meisten Fragen gestellt.“
Nach Informationen von Prellbock Altona e.V. geht es beim für 2024 geplanten Bau der Empfangsgebäude am Diebsteich im Wesentlichen um drei Kritik-Punkte:
- Das Projekt wurde zwar im EU-Amtsblatt europaweit ausgeschrieben – aber mit höchst unvollständigen Angaben. Für Investoren vorteilhafte Arrangements wurden nicht vorab bekanntgegeben, zum Beispiel eine städtische Garantie-“Miete“ in Höhe von insgesamt 2,2 Millionen € auf 30 Jahre für ein Fahrradparkhaus, zahlbar auf einen Schlag im Voraus. Oder von der Deutschen Bahn in Aussicht gestellte Mietzusagen für Büro- und Lagerräume sowie Hotelzimmer in den zu errichtenden Gebäuden. Die unvollständige Information zu Art und Umfang des Auftrags war geeignet, mögliche auswärtige Bieter von einer Teilnahme abzuhalten, weil sie die Bedeutung des Auftrages nicht richtig einschätzen konnten, so der Vorwurf. Vorteil für gut vernetzte ortsansässige Bieter, weil diese die einschlägigen Gepflogenheiten in Hamburg kannten.
- Die HASPA PeB, eine Tochter der HASPA, wurde lange nach Ablauf der Bewerbungsfrist für die Teilnahme nachträglich noch zum Vergabeverfahren zugelassen, obwohl ein solches Vorgehen im EU-Vergaberecht ausdrücklich untersagt ist. Gemeinsam mit der ebenfalls in Hamburg ansässigen Procom Invest GmbH & Co. KG durfte die HASPA PeB das finale Angebot abgeben, das den Zuschlag bekam. Nach Prellbock-Informationen wurde sogar der offizielle Vergabevermerk frisiert, um dies zu verschleiern.
- Der Architekturwettbewerb für den Bahnhofsneubau wurde regelwidrig nicht im EU-Amtsblatt ausgeschrieben, obwohl die Deutsche Bahn die zu erbringenden Architekturleistungen mitfinanziert. Trotzdem wurden die Teilnehmer von der Projektgesellschaft ProHa Altona freihändig ausgewählt, mit Wissen und Billigung von Stadt und Bahn.
Nach Prellbock-Informationen wurde der Kommissions-Fragebogen zu den Bahnhofsprojekten im Oktober verschickt. In einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage hat der Senat noch am 12. November 2021 erklärt, er sei über den Vorgang nicht informiert.
Dazu Michael Jung, Sprecher von Prellbock Altona e.V.: „Abwarten und Aussitzen ist keine Option. Die kritischen Fragen der EU-Kommission sind ein Grund mehr, das Diebsteich-Projekt noch einmal auf den Prüfstand zu stellen. Die Investoren dürften jetzt ohnehin kalte Füße bekommen.“
Hintergrund:
Wie die „Neue Westfälische“ schreibt, ist der Deutschen Bahn das „Auskunftsersuchen“ der
Kommission bekannt.
Ein „EU-Pilotverfahren“ macht die Kommission nur, wenn sie erhebliche Anhaltspunkte für schwerwiegende und systematische Verstöße gegen das Vergaberecht sieht.
2020 gab es nur acht Pilotverfahren bei insgesamt 340 von der Kommission deutschlandweit registrierten Beschwerden über Verstöße gegen EU-Recht. Kommt es in der Folge zu einem Vertragsverletzungsverfahren, dann kann sich dies erfahrungsgemäß über Jahre hinziehen. In letzter Instanz entscheidet der Europäische Gerichtshof.
Die Anfrage von Heike Sudmann, sie ist Vorsitzende des Verkehrsausschusses der Bürgerschaft, samt Antwort des Senats findet sich hier:
Michael Jung
Sprecher der Bürgerinitiative Prellbock Altona e.V.
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