Spatenstich im Hochsicherheitstrakt – Politikerblase unter sich

6. Juli 2021, Pressemitteilung der Bürgerinitiative Prellbock Altona e.V.

Wie in einem Hochsicherheitstrakt mit penibler Einlasskontrolle feierten Bürgermeister Tschentscher, Staatssekretär Ferlemann und Bahnvorstand Pofalla am 5 Juli 2021 um 11 Uhr den Baubeginn des Diebsteich-Projektes.

Die Bevölkerung blieb außen vor! – Hat man Angst vor der kritischen Öffentlichkeit?
Fast alle Politiker und Bahnmanager fuhren in schweren schwarzen Dienstlimousinen oder SUVs vor. Das Thema Klimawandel scheint bei diesen Herren noch nicht angekommen zu sein! (Lediglich die Grüne Bezirksamtschefin von Altona kam mit dem Rad zu der Veranstaltung, und der Verkehrssenator fehlte!)

Prellbock veranstaltete mitten in der Fußgängerzone der Ottenser Hauptstraße einen alternativen Spatenstich zur Modernisierung des jetzigen Bahnhofsgebäudes! Prellbock fand viel Aufmerksamkeit bei Passanten und Presse. Drei goldene Spaten sollten dabei die Freude der Immobilienbranche symbolisieren, denen zwei weitere Quartiere zur Spekulation übereignet wurden. Interessen der Bahnfahrgäste spielen keine Rolle, die von mobilitätseingeschränkten Reisenden erst recht nicht.

Der Erste Bürgermeister Tschentscher ließ sich zu der Aussage hinreißen: „Wenn die Bahn und der Bund mehr als eine halbe Milliarde Euro in ein Bahnprojekt in Hamburg investieren, dann ist das ein großer Tag für Hamburg“. Dabei scheint er vergessen zu haben, dass für dies Projekt ein 1 Hektar großes Feuchtbiotop platt gemacht wurde und mehr als 400 für das Stadtklima wichtige Bäume ihr Leben lassen mussten. Lediglich 90 Bäume sollen als Ersatz nachgepflanzt werden – in Wedel. Dort haben Sie für das Hamburger Stadtklima keine Entlastungswirkung.
Ferner scheinen SPD und Grüne nicht mitbekommen zu haben, dass die Deutsche Bahn mit diesem Projekt einen zukünftigen Ausbau des S-Bahnnetzes in Hamburg (S32 nach Bahrenfeld/Lurup/Osdorf, 2. Elbquerung, Ausbau der Güterumgehungsbahn zu einem S-Bahn-Ring, Verbindungsbahn-Entlastungstunnel) förmlich zubetoniert haben. Und wenn der Erste Bürgermeister zudem behauptet, nur Bahn und Bund würden investieren, dann ist das schlicht falsch. Das sollte Herr Tschentscher als ehemaliger Finanzsenator besser wissen. Denn mehr als 80% der Investitionskosten kommen aus Steuergeldern, Steuergelder auch der Hamburger Bürgerinnen und Bürger. Ferner muss die Stadt erhebliche Komplementärinvestitionen (für Straßenzuwegung, Abriss der Altanlagen, Bodendekontaminierung) tätigen. Die Höhe ist nach oben hin offen, aber bislang unbekannt. Aber die Hoffnung, aus dem Verkauf der frei werdenden Bahngrundstücke 350 Mio. Euro und mehr Spekulationsgewinne aus den Immobiliendeals einstreichen zu können, vernebelt den Blick. Zudem sind die Kosten für die Autoreisezuganlage in Eidelstedt in den Schätzungen nicht enthalten. Nach der jüngsten Kostenexplosion um 400% beim Bau der S-Bahnstation Ottensen sind ähnliche Steigerungen auch beim Diebsteich-Projekt zu erwarten, zumal die Pläne für die zusätzlichen Weichen und Signale überhaupt noch nicht genehmigt sind! Aber mit dem gestrigen Spatenstich hat die Deutsche Bahn erfolgreich die Politik in Geiselhaft für die Übernehme der Mehrkosten genommen.

Und DB-Infrastrukturvorstand Pofalla fabuliert von 380 zusätzlichen (gegenüber Altona) in Diebsteich haltenden Zügen. Das dürfte nicht einmal an den Computerspieltischen der DB funktionieren. Die Herren meinen wohl: Das schadet nichts, denn wenn der Bahnhof Altona einmal geschlossen ist, wird sich keiner mehr an diese Zahl erinnern. Warum wohl wird das Gutachten der Schweizer Firma SMA, welches die Leistungsfähigkeit des Bahnhofs Diebsteich unter Beweis stellen und damit Prellbock widerlegen soll, seit mehr als einem Jahr hermetisch unter Verschluss gehalten? Angeblich soll die DB das Gutachten jetzt zurückgezogen haben – bezeichnend!

Interessanterweise haben weder Deutsche Bahn, noch SPD und Grüne bei der Wahlkampf-Show-Veranstaltung heute zu den nach wie vor offenen Fragen Stellung genommen.


Prellbock wird aber weiterhin diese Fragen stellen, die nach wie vor nicht geklärt sind:

  1. Wie hoch sind die wirklichen Gesamtkosten des Projektes? Wer bezahlt die Mehrkosten? Die Bahn oder der Steuerzahler?
  2. Warum liegen die Pläne für die zusätzlichen Weichen und Signale gemäß schriftlicher Auskunft beim Eisenbahn-Bundesamt (EBA), der zuständigen Aufsichtsbehörde, nicht vor? Ist hier eine erneute öffentliche Auslegung der Planfeststellungsunterlagen erforderlich?
  3. Wie soll eine S32 zur Science City/Osdorf/Lurup am Diebsteich ausgefädelt werden? Oder soll diese gar nicht gebaut werden?
  4. Wie wird das Projekt in den geplanten Deutschlandtakt passen?
  5. Wie passt das Projekt zu dem sog. Verbindungsbahn-Entlastungstunnel (Ferlemanntunnel)? Dieses Projekt erfordert eine komplette Umplanung des Bahnhofs Diebsteich, weil dann die S-Bahn in die Tieflage müsste. Das kollidiert mit den Fundamenten der Hochhäuser!
  6. Wo ist die Baugenehmigung für das Bahnhofsgebäude? Muss die Stadt hier als Ankermieter eintreten, weil Büroflächen und Hotelräume in „Post-Corona-Zeiten“ nicht mehr gefragt sind? Was passiert, wenn der Investor aussteigt? Wird es dann einen Hundehüttenbahnhof oder ein jahrelanges Provisorium (wie im „Letter of Intent“ vom Dezember 2016 angedeutet) geben?
  7. Mit dem Projekt betoniert die Bahn mit Billigung der Stadt einen dringend notwendigen Ausbau des S-Bahnnetzes im Hamburger Westen förmlich zu. Projekte wie eine 2. Eisenbahn-Elbquerung parallel zur A7 oder eine Ring-S-Bahn über die Güterumgehungsbahn haben dann keine Chancen mehr.
  8. Wie sieht eine Klimabilanz des Projektes aus? Das ist eine ganz zentrale Frage angesichts der verschärften Klimaschutzvorgaben. Warum weigern Stadt und Bahn sich seit vier Jahren, eine CO2-Bilanz des Projektes zu erstellen?
  9. Warum hat die Anhörungsbehörde eine erneute Auslegung der vollständigen Planfeststellungsunterlagen für die Autoreisezuganlage an der Elbgaustraße gefordert (Auslegung bis 6.7.2021)? Dann sind erneute Einsprüche möglich!

Also eine Menge ungeklärter Fragen. Antworten darauf wird Prellbock einfordern!

Daher gilt für Prellbock nach wie vor: Unser Bahnhof bleibt, wo er ist. Modernisierung jetzt, aber an Ort und Stelle!


Michael Jung
Sprecher der Bürgerinitiative Prellbock Altona e.V.
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