St. Pauli, 1. März 2023: Neue Cafébetreiberinnen machen sich durch rabiates Abholzen des Park-Fiction-Kreisels im Viertel bekannt.
Es ist so langweilig, wenn sich Menschen genau so verhalten, wie erwartet. Die klassische Gentrifidingsbums-Erzählung: Leute kaufen Immobilien in von anderen interessant gemachten, einst rauhen Vierteln. Dann beginnen sie Unternehmungen, die von der Interessantheit profitieren, aber nichts dazu beitragen. Schliesslich soll sich auch die Umwelt an die eigenen Geschmackskonventionen anpassen. Bereits 1998 kritisierte die Gentrifizierungsexpertin Sharon Zukin diesen Vorgang als „Domestizierung durch Cappuccino“.
Im Erdgeschoss des Hauses Bernhard-Nocht-Str. 1-3 / Ecke Antonistraße will Elvie B. wieder ein Café betreiben. Am Mittwoch, 1. März, haben die angehenden Cafébetreiber*innen losgelegt: Die Weide mitten im Kreisel des Park Fiction rabiat runtergeschnitten, Forsythien, Rosenbüsche, Fliederbüsche, Rosmarin und Lavendel-Stauden niedergemacht, Efeu entfernt, den Ahorn und ein Apfelbäumchen weitestgehend entastet.
Alle Pflanzen und Gehölze waren von Nachbarinnen ab 2011 gepflanzt worden, darunter der kleine Ahorn von Daniela-Bar-Gründerin Frauke und die Weide von Ex-Hafenarbeiter Willi. Seitdem kümmern sich Nachbar*innen in wechselnder Intensität um diese Fläche. Antirassistische Initiativen haben den Kreisel „Yaya Jabbi Circle“ getauft und starten von hier Demonstrationen und Kundgebungen, ebenso wie Fridays for Future.
Bereits zweimal hat es Angriffe auf die Weide gegeben. Beim ersten mal kippten die Täter Teer über den Stumpf, beim zweiten mal, 2021, gab es bereits Hinweise auf eine Auftraggeberschaft aus dem sogenannten „Osmani-Barlach-Haus“.
Dennoch hatte sich in den letzten Jahren auf dem Kreisel eine gewisse ökologische Beständigkeit entwickelt. Es grünt trotz der großen Trockenheit der letzten Jahre bis in den November: Mikroklima, Schwammstadt, Artenreichtum, Nahrung für Insekten, Nist- und Versteckmöglichkeiten für lokale Vögel, all das bietet das kleine Stückchen Land in seiner Gewordenheit.
Durch den Kahlschlag ist die Fläche wieder ohne Schatten und der kühlende Effekt auf das Mikroklima geht verloren. Rückzugsräume für Vögel sind erstmal keine mehr da.
Wir sind erschüttert über die selbstverständliche Rücksichtslosigkeit, mit der hier ein kleines Biotop beschädigt wird, nur weil es den Gartenvorstellungen und Interessen einer Cafe-Neueröffnung nicht entspricht. Wie dreist, den öffentlichen Raum, der von einer Nachbar*innenschaft angelegt wurde, nach den eigenen Privatvorstellungen zuzurichten.
Darauf angesprochen, gab die angehende Cafébetreiberin vor, das alles sei mit Genehmigung des Bezirks geschehen. Das stimmt aber nicht – die zuständigen Beamten wissen nichts von der Aktion und haben die auch nicht genehmigt.
Wir wissen, dass auch viele andere Anwohner*innen über die Kahlschlagaktion sauer sind, auch Leute die im gleichen Haus wohnen. Wir freuen uns, ganz entgegen unserer sonstigen Art, dass Nachbar*innen und Interessierte bereits Anzeige erstattet haben.
Helft mit, dafür Sorge zu tragen, dass diese Übergriffe aufhören!
Euer Park Fiction Komitee